Soziale Ängste sind weit verbreitet. Man bekommt sie nur kaum mit, wenn man nicht zufällig selbst betroffen ist. Menschen, die durch soziale Ängste beeinträchtigt sind, setzen alles daran, um nicht bemerkt zu werden. Denn das könnte (aus ihrer Sicht) katastrophale Folgen haben. Sie würden ‚verwundbar‘ – und das ist Teil des Problems.

Soziale Ängste – ein Thema des Selbstwertes?

Katharina* kam zu mir in die Praxis, weil sie an ihrem Selbstwert arbeiten wollte. Ihr war durch eine vorige Therapie bereits klar, dass dieses Thema bei ihr ein Knackpunkt war. Am Belastendsten war für sie aber die daraus resultierende ewige Angst – und die wollte einfach nicht verschwinden.

„Egal, wie oft ich versuche, durch diese Angst durchzugehen“, sagte Katharina. „Sie flaut dann ab, ja. Aber in der nächsten für mich unangenehmen Situation ist sie wieder da. Und manchmal schlimmer als vorher.“

Wie eine automatisch ablaufende Reaktion beschreibt sie das Problem. Sie wäre gerne in Kontakt mit Menschen, die die gleichen Dinge mögen wie sie selbst. Sie wäre gerne offener, lockerer, leichter in Gesprächen. Doch immer, wenn sie mit anderen Menschen zu tun bekommt, fürchtet sie sich plötzlich.

„Die verachten mich bestimmt. Weil ich so unsicher bin. Und nichts richtig machen kann. Und außerdem bin ich nicht mal hübsch. Niemand möchte wirklich etwas mit mir zu tun haben.“

Solche Gedanken sind es, die Katharina dann durch den Kopf gehen. Sie sorgen dafür, dass sie Kontakte zu anderen immer häufiger vermeidet, um gar nicht erst die Angst spüren zu müssen.

„Ich bin einfach erschöpft“, sagt Katharina resigniert und zuckt mit den Schultern. „Ich habe es so oft versucht und kriege es einfach nicht hin. Die sozialen Ängste sind stärker als ich. Und ich bin wirklich müde.“

Soziale Ängste können einsam machen

Katharina ist Anfang 20, hat gerade ihr Bachelorstudium in einem kreativen Fach abgeschlossen und arbeitet jetzt in einer Agentur. Sie ist umgeben von Kolleginnen und Kollegen, mit denen sie es (aus ihrer Sicht) nicht aufnehmen kann.

„Alle hip und schön und offen. Ich bin das hässliche Entlein. Das war schon immer so.“

Dass Katharina wunderschöne Locken hat und Sommersprossen, einen aufmerksamen Blick, einen angenehm schrägen Humor und vielfältige Interessen, dass sie intelligent ist, eine interessante Gesprächspartnerin, Musikerin, Tänzerin – all das realisiert sie nicht.

Es scheint keine Rolle zu spielen in ihrer Welt, in der ihre seelische Stabilität ständig durch die Bewertungen Anderer bedroht ist. Und in der sie sich fürchterlich einsam fühlt. Wie in einer Box aus Glas, beschreibt sie ihren Zustand. Irgendwie abgetrennt von allem, durch diese Angst, die sie empfindet. Und das Gefühl von Scham, das dauerhaft über ihr schwebt.

Katharina weiß, dass ihre Angst übersteigert ist. „Es ist albern. Die meisten haben doch genug mit sich selbst zu tun!“

Und doch war da wieder dieser Moment letztens. Als sie beim Tanzen etwas nicht so gut konnte, wie die anderen. Als sie länger brauchte, um einen Bewegungsablauf umzusetzen. Und einmal sogar hinfiel, weil sie etwas erzwingen wollte, was ihr Körper noch nicht begriffen hatte.

„Alle haben mich angestarrt“, sagte sie, und beginnt zu weinen, während sie davon erzählt. „Und ich habe mich so geschämt! Die haben ganz sicher alle insgeheim über mich gelacht. Und mich verachtet.“

Bewertungen als Problem bei sozialen Ängsten erkennen

Katharina leidet sichtlich darunter, dass sie sich minderwertig fühlt. Und dass sie bei den geringsten Anzeichen von Fehlern in eine automatisierte Abwertungsspirale trudelt, mit der sie sich keinen Gefallen tut. Dabei sind vor allem Katharinas Bewertungen das Problem – nicht die Tatsache, dass Menschen sie ansehen, wenn sie zu Boden fällt.

Denn gäbe es nicht auch andere Möglichkeiten, warum man sie angesehen hat? Wurde wirklich verächtlich gestarrt? Oder haben die anderen sich einfach nur vergewissern wollen, dass mit ihr alles in Ordnung ist, oder sie sich vielleicht gar verletzt hat?

Auch dies wäre nämlich eine mögliche Bewertung der Situation: dass die Blicke interessiert und sogar fürsorglich waren. Nicht vernichtend, wie Katharina es automatisiert immer sofort annimmt. Solche Automatismen sind recht typisch für soziale Ängste. Es wird das Schlimmste erwartet, und nicht in Erwägung gezogen, dass es auch andere Möglichkeiten gibt.

Innerhalb der Therapiesitzungen gehen wir den Gedanken gemeinsam auf den Grund. Stellen fest, woher diese „Stimmen“ kommen, die in Katharinas Kopf so vernichtend über sie urteilen. Die kein gutes Haar an ihr lassen. Katharina entdeckt fasziniert, dass einige Kommentare gar nicht in ihrem Kopf „wohnen“, sondern irgendwo in der Bauchgegend.

Eine tiefere, ältere Ebene scheint es zu sein – und gerade die Kommentare von dieser Ebene wirken für Katharina, als wären sie vollkommen wahr. Katharina hat sie zu einer Zeit in der Kindheit von außen übernommen und internalisiert, d.h., sie sind Teil ihres Selbstverständnisses geworden. Dieser Teil ist von ihr bisher nie angezweifelt worden, weil „das doch schon immer so war. Und deshalb ist es doch wahr?“

Ist das, was wir denken und fühlen, wahr?

Ist es das? Wahr, weil es doch schon immer so war?

Nein. Nicht zwingend.

In Katharinas Fall sortierten wir die negativen Gedanken und Kommentare dorthin zurück, wo sie herkamen. Fanden gemeinsam heraus, wer solche Sätze gesagt, ihr diese Gefühle des Ungenügend-Seins vermittelt hatte. Und arbeiteten zugleich daran, die verletzten Anteile in Katharina zu stärken. Wichtig für Menschen, die soziale Ängste erleben und diese überwinden möchten.

All dies geht nicht von jetzt auf gleich. Es ist eine schrittweise Veränderung – weg von automatisierter Verachtung und Angst, hin zu deutlich mehr Stabilität, Selbstwertschätzung und Selbstliebe. Und der Weg ist nicht immer gerade. Es gibt angenehme Passagen, in denen ein Schritt sich leicht aus dem anderen ergibt, und entsetzlich anstrengende Momente, in denen man den Eindruck hat, sich mit einer Nagelfeile Tunnel durch Berge raspeln zu müssen. Aber es ist der Weg, den Katharina für sich geht. Nur für sich.

Sozialphobie und Ängste überwinden

Ich durfte auf diesem Weg Katharinas Begleitung sein – und wie bei jeder Patientin und jedem Patienten, die bzw. den ich auf dieser individuellen Reise zu sich selbst begleiten darf, freue ich mich über das Vertrauen, das mir entgegengebracht wird. Und über die Offenheit, sich trotz Ängsten einzulassen auf die Möglichkeiten, die Therapie bieten kann.

Letztendlich ist jeder Therapieraum ein Experimentierfeld – ein Ort, an dem ausprobiert und erkundet werden kann, was im Denken, Fühlen und Wahrnehmen geschieht, und was alternativ möglich ist. Die Therapie ist der sichere Rahmen, in dem Entwicklung passieren kann und in dem alles in Ruhe angesehen und gefühlt werden darf, was aufploppt.

„Man sollte nicht alles glauben, was man denkt.“ War es Heinz Erhardt, der diesen Satz gesagt hat? Ich glaube, ja. Und es ist ein wirklich guter Satz, denn die Gedanken, die uns das Leben oft schwer machen, sollten gut geprüft werden. Ebenso wie Gefühle, die manchmal Gefahr suggerieren, wo keine ist. Und die ebenfalls genauer erspürt und wahrgenommen werden möchten, um schließlich losgelassen werden zu können.

Soziale Ängste sind ein weites Feld und können mit den unterschiedlichsten therapeutischen Verfahren angegangen werden. Ich kombiniere in meiner Arbeit mit Patienten meistens emotionsfokussierende Methoden mit dem eher verhaltenstherapeutischen Hinterfragen automatisierter Gedanken und Komponenten aus der Schematherapie.

Was bei welchen Betroffenen hilfreich und angebracht ist, ergibt sich im Lauf der Zusammenarbeit – und auch dies macht diese Arbeit für mich so besonders und wertvoll: dass kein Mensch einem anderen gleicht. Sondern jeder einen individuellen Zugang zum eigenen Inneren erleben darf.

Veränderung ist möglich

„Die Anderen“ müssen nicht die Hölle sein. Und Kontakt keine gefährliche Angelegenheit. Wenn wir lernen, uns selbst mit achtsamer und liebevoller Aufmerksamkeit zu betrachten, Automatismen zu überprüfen und durch hilfreiche Alternativen zu ersetzen, kann das Leben eine völlig andere Färbung annehmen. Und genau diesen sicheren und unbeschwerten Umgang mit Anderen (und sich selbst) hat auch jeder von uns verdient.

Wenn du beim Lesen dieses Artikels bemerkt hast, dass du gerne an deinen Themen in Bezug auf soziale Ängste arbeiten würdest, vereinbare gerne einen Termin mit mir. Ich bin als Heilpraktikerin entweder therapeutisch in meiner Praxis in Berlin, oder online im Bereich der psychologischen Beratung unterstützend für dich da.

 


*Katharina heißt eigentlich anders. Ich habe ihren Namen und einige Details zu ihrem Berufsfeld verändert, damit die Anonymität gewährleistet ist.

Photo by Annie Spratt on Unsplash

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