Viele Menschen, die zu mir in die Praxis finden, fühlen sich irgendwie „festgefahren“. Eine solche Lebenssituation kann etliche Ursachen haben und Anlass geben, um sich für eine private Psychotherapie oder ein Coaching zu entscheiden. Für die Arbeit an und mit sich selbst in einer bewertungsfreien, wohlwollenden und empathischen Umgebung, wie nur ein therapeutischer Rahmen es in dieser Form ermöglichen kann.

Psychotherapie zur persönlichen Weiterentwicklung

Mir fällt immer wieder auf, dass die meisten dieser Menschen, die sich für eine Psychotherapie oder ein Coaching entschieden haben, ihre Probleme und die jetzt möglichen Handlungsoptionen ausführlich durchdacht haben. Sie sind immer und immer wieder alles durchgegangen. Der Kopf hat alles dazu gesagt, was gesagt werden konnte. Und natürlich ist das auch sehr vernünftig, denn wofür haben wir schließlich ein Gehirn, wenn wir es nicht auch nutzen, um Erklärungen und Lösungen zu finden?

Doch interessanterweise lösen sich viele Hindernisse und Probleme nicht auf, obwohl sie komplett durchdacht wurden. Es bleibt ein Gefühl von Unwohlsein, von Stagnation, vielleicht auch von Traurigkeit, Verzweiflung, Resignation. Irgendetwas stimmt nicht, genügt noch nicht, um das Problem zu lösen. Und genau da kommt etwas ins Spiel, das ich gerne „Innerer Freiraum in der Psychotherapie“ nenne – und was noch so viel mehr bietet als nur ein wenig Zeit und Raum zum inneren Durchatmen.

Innerer Freiraum in der Psychotherapie als neuer Bezugspunkt

Ich greife in der Zusammenarbeit mit Patientinnen und Patienten häufig auf etwas zurück, das aus dem von Eugene T. Gendlin begründeten Focusing¹ stammt, und einer der Schritte des Focusing-Prozesses ist. Ich unterstütze die Patienten dabei, in sich ein wenig Freiraum zu schaffen – und damit Luft und Weite, um die Probleme mit etwas Abstand bei sich zu haben und Zeit mit ihnen zu verbringen, anstatt regelrecht von ihnen überschwemmt zu werden und darin unterzugehen.

Innerer Freiraum in der Psychotherapie kann so zu einem neuen Bezugspunkt werden, neue Betrachtungsweisen eröffnen und vor allem den Körper mit in den Prozess einbeziehen. Denn oftmals weiß der Körper bereits die Antwort auf das, was von uns immer und immer wieder so präzise durchdacht, und doch zu keiner wirklichen Lösung gebracht werden kann. Die Antwort steckt ihm Körper, in dem Gefühl, das sich unter all dem verbirgt, was wir bereits so clever über uns selbst und die Welt zu wissen glauben.

Der Körper kennt Antworten

Ich staune immer wieder selbst über das, was sich in Focusingprozessen zeigt – bei mir selbst, wenn ich Focusing für mich und eigene Themen nutze, wie auch in der Zusammenarbeit mit meinen Patientinnen und Patienten. Und immer wieder beginnt es damit, sich Freiraum zu verschaffen, ein wenig durchzuatmen, und die Situation neu, auf einer anderen Ebene zu betrachten. Auf eine Weise, die Gefühle und Körperempfindungen als eigene Stimme mit einbezieht, und lernt, deren Sprache nicht nur im sicheren Rahmen der Psychotherapie, sondern auch im Alltag, im ganz gewöhnlichen Leben, zu verstehen.

Für mich hat sich die Arbeit mit Focusingprozessen als eine der schönsten und zugleich wertvollsten Vorgehensweisen in meiner Heilpraktikerpraxis erwiesen. Es ist eine Möglichkeit, durch Achtsamkeit und bedingungslose Zuwendung für sich zu sorgen, während man sich an der Schwelle zwischen Geist und Körper bewegt – und vielleicht bräuchten wir alle im Alltag ein wenig mehr von diesem inneren Freiraum, in dem es ganz still ist, und der zugleich so viel zu sagen hat. Und viel mehr von den darauf folgenden Schritten, die sich im Focusing durch die innere Arbeit auf dieser Schwelle ergeben.

Vielleicht wäre vieles dann auch leichter zu bewältigen …


Foto: Jacob Townsend auf Unsplash

 

¹ The International Focusing Institute: Learn Focusing – Focusing Fact Sheet für Newcomers

Idit Shalev: Using Motivated Cue Integration Theory to Understand a Moment-by-Moment Transformative Change: A New Look at the Focusing Technique

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